Ads 468x60px

Dienstag, 13. Dezember 2022

Tesla, Gedanken 2022 und 2023 und "Die eigene Strategie entwickeln"

Sehr viel ist passiert seit meinem letzten Post. Ich will nicht lange drumherum reden. Mein Portfolio hat sich radikal geändert und besteht momentan nur aus zwei großen Positionen, die zusammen fast 100 Prozent ausmachen. Allerdings handelt es sich bei der größeren dieser Positionen NICHT um meine eigentliche Kernstrategie. Mehr dazu gleich...

Im August 2020 habe ich Tesla entdeckt. Mir war das Unternehmen davor zwar schon ein Begriff, ich kannte die Firma aber eher als ein hochgejazztes Hype-Unternehmen, und die Autos könnten sich ja nur reiche Leute leisten, die sich wohl fühlen wollen und so tun möchten, als läge ihnen das Klima am Herzen. So weit meine Vorurteile. Ich schaute dann hunderte Stunden Youtube-Videos an und machte mich mit der Argumentation der Bullen vertraut. Kurz gefasst: Meine Weltsicht änderte sich so radikal, dass ich "netto" (also bereinigt um andere Aktien, die ich zwischendurch ge-und wieder verkauft habe) zwischen August 2020 und Dezember 2022, also in über zwei Jahren, letztendlich nur diese eine Aktie gekauft habe, immer wieder und wieder, fast jeden Monat.

Alles andere, was ich zwischendurch mal kaufte, wurde irgendwann wieder verkauft und in Tesla umgemünzt.

Nun, im Dezember 2022, habe ich meine Sucht überwunden und mir versprochen, keine weiteren Tesla-Aktien zu kaufen, zum Einen weil ich der Meinung bin, dass ich für das Bullen-Szenario genügend Aktien habe und reich werden könnte, wenn das Unternehmen die positiven Erwartungen erfüllt, zum Anderen weil ich im Negativszenario zumindest irgendetwas anderes haben möchte, an dem ich mich festhalten kann. Denn in der verrückten Welt um Elon Musk ist nichts ausgeschlossen: Eine Ermordung Musks, der erzwungene Rücktritt, falls er etwas Falsches sagt, die komplette Zerstörung der Marke Tesla durch politisch inkorrekte Tweets, und so weiter.

Eigentlich ist Tesla aber, wie bereits gesagt, kein eigentliches Kern-Investment nach meiner persönlichen Strategie, sondern etwas, in das ich einfach so rein gerutscht bin. Am Anfang widersprach Tesla jeglichen Kriterien, die ich an eine Aktie lege: Das Unternehmen hatte ein astronomisch hohes KGV von über 1000, es gab keine Dividenden, es war aus meiner Sicht vollkommen unklar, woran man eine "faire" Bewertung überhaupt vornehmen konnte. Auf der anderen Seite befand sich die Aktie in einem radikalen technischen Aufstieg, der zu einer Verzehnfachung des Kurses führte, wovon ich leider nur noch die letzte Verdoppelung miterleben durfte bis zum Allzeithoch.

Erst jetzt, im Jahr 2022, ist das Unternehmen innerhalb eines Bärenmarktes in diese "normale" Bewertung hineingewachsen, und ist dabei vom Kurs her auch gefallen. Inzwischen kann man sagen, dass das Unternehmen günstig ist, wenn man die Formel von Peter Lynch zugrunde legt, dass ein Unternehmen dann fair bewertet ist, wenn seine Gewinn-Wachstumsrate dem KGV entspricht. Tesla hat vor, seine Produktionszahlen jährlich im Durchschnitt um 50% zu steigern. Wenn man bedenkt, das pro zusätzlich verkauftem Fahrzeug nicht anteilig eine neue Fabrik gekauft werden muss, kann man sich relativ leicht denken, dass die Gewinne dann stärker als die Umsätze steigen müssen. Weitere Effizienzen und Economies of Scale werden ebenfalls einen Beitrag leisten.

Selbst wenn man konservativ davon ausgeht, dass Produktion=Umsatz=Gewinn ist (von der Steigerung her), dann wäre ein KGV von 50 einer Wachstumsrate von 50% also entsprechend zuzuordnen. Tesla notiert in diesem Bärenmarkt aber weit darunter, wenn man sich die Schätzungen für das nächste Jahr ansieht.

Für das Jahr 2023 erwarte ich 7 Dollar pro Aktie an Gewinn. Wir werden sehen, ob dies eintritt und mit welchem KGV Tesla dann bewertet wird.

Zurück zu meiner eigentlichen Strategie. Ich habe für mich selbst etwas mehr herausgefunden darüber, was für ein Investor ich eigentlich bin und womit ich mich wohlfühle. Obwohl Tesla zeitweise 90 Prozent oder mehr meines Portfolios ausmacht und ich daran wohl oder übel nichts ändern werde, handelte es sich hierbei um eine Ausnahme, weil mich über die Jahre einfach die qualitativen Aussichten des Unternehmen sehr stark überzeugt haben, ohne dass ich der Bewertung allzu viel Bedeutung zugewiesen habe. Zeitweise habe ich eher aus technischen Anhaltspunkten gekauft, zum Beispiel bei neuen Lows im Jahr 2021 und 2022. Irgendwann habe ich dann mehr auf die Earnings geachtet und mir dann darüber den fairen Wert abgeleitet.

Was aber ist meine eigentliche Strategie, in der ich mich zu Hause fühle und zu der ich zurückkehren werde und bei der ich geblieben wäre, wenn es Tesla nicht gegeben hätte?

Bei mir kristallisiert sich da inzwischen etwas heraus, was ich in einige Worte zu kleiden versuchen möchte, auch wenn es keine "harten" Kriterien sind, and die ich mich immer halte:


  • Ich bevorzuge Unternehmen mit Dividende, weil die Dividende mich von Bullen- und Bärenmärkten weitestgehend unabhängig macht. Dass die Dividende einen wirtschaftlichen Abschwung nicht verhindern kann und theoretisch betrachtet "unbedeutend" ist, weil Dividenden sich immer aus Gewinnen generieren, die genauso gut auf andere Weise reinvestiert werden könnten (z.B. Buybacks, Übernahmen) ist mir klar. Mir ist aber das passive Einkommen einiges Wert.
  • Ich wünsche mir einen fairen Wert, stark angelehnt in der Regel an das Price-to-Earnings-Growth-System (PEG) von Peter Lynch. Wenn absehbar ist, dass ein Unternehmen seine Gewinne um X Prozent steigern kann, und das KGV bei genau dieser Zahl X oder niedriger liegt, bezahle ich einen fairen Preis. Am liebsten ist mir natürlich, wenn diese Gewinnsteigerungen über mehrere Jahre sowohl in Vergangenheit als auch Zukunft zu beobachten sind.
  • Ich erwarte eine gewisse Attraktivität des Unternehmens und der Branche insgesamt. Gerne setze ich auf Unternehmen, die sich in wachsenden Märkten aufhalten, so zum Beispiel in der Batteriebranche (Elektroautos, Lithium) als auch im Bereich Halbleiter, 5G. Es geht nicht darum, den nächsten heißen Trend für etwas, was erst in 30 Jahren profitabel ist, zu finden, sondern einen natürlichen, länger anhaltenden Rückenwind im Investment zu haben. Auch Unternehmen mit hohem Wiedererkennungswert (Marke) kann ich mir grundsätzlich gut vorstellen.
  • Ich nutze besonders gerne schwache Marktphasen, insbesondere heftige Crashes (März 2020), Phasen größerer Unsicherheit (Inflation? Zinsen? Krieg?) und kaufe in diese Phasen hinein, noch bevor sich die Lage geklärt hat. Mir muss dabei klar sein, dass sich das Marktumfeld dann NICHT gut anfühlt, man kauft also, wenn alle Angst haben und es große Bauchschmerzen gibt. Ja, auch Bauchschmerzen dahingehend, dass die Kurse nochmal 50% fallen könnten. Ob es sich für mich lohnt, kann ich dann Tag für Tag an der aktuellen Dividendenrendite ablesen.
  • Ich kaufe gerne gestreut über mehrere Quartale! Dadurch kann ich mehrere Effekte nutzen: Insbesondere bei Wachstums- und Zyklikeraktien weiß man nie so genau, ob man sich gerade in einer Phase befindet, in der alles erstaunlich gut läuft oder in der man gerade ein Schnäppchen hat. Dadurch, dass ich zwischen den Käufen Quartalsberichte geschehen lasse, können sich meine vorherigen Käufe "stabilisieren", das heißt, das Management gibt mit dem Quartalsbericht Feedback, wie die Geschäfte gelaufen sind, und der Gesamtmarkt kann dann entscheiden, was der angemessene Wert für die Aktie ist. Wenn der Kurs stark steigt, freue ich mich über die gelungenen bisherigen Käufe. Sinkt die Aktie, habe ich die Chance, mein Unternehmen erneut zu bewerten, den bisherigen Kauf in Frage zu stellen, bei Gelegenheit aber günstig nachzukaufen. In jedem Fall sammle ich Erfahrungswerte und kann das "Averaging in" als guten Durchschnittskaufpreis nutzen.
  • Es freut mich, wenn das Unternehmen nicht zu viele Schulden hat, aber ich bin bereit, Abstriche in diesem Bereich in Kauf zu nehmen.
  • Ich lasse manchmal mehrere Investitionsmöglichkeiten gleichzeitig in meinem Gedanken kreisen und denke so lange nach, bis sich die beste und stärkste Investmentidee durchgesetzt hat.
  • WICHTIG: Es gibt manchmal Phasen (vor allem in Bullenmärkten), in denen man sich dumm und dämlich suchen kann und nichts findet, obwohl man Stock Screener, Analystenratings und ähnliche Tools benutzt. Wenn nichts bei der Recherche herumkommt, einfach das Geld liegen lassen. Man ist 6 Monate später immer ein besserer/erfahrener Investor als zuvor und vielleicht ändert sich die Marktphase bis dahin.
Was mich bei meinen Überlegungen in den letzten Monaten und Jahren ermutigt hat, ist die Tatsache, dass ich bereits zwei Mal über den Kauf einer Aktie nachgedacht habe, die dann einige Zeit später (in einem Fall sogar wenige Tage später) von Warren Buffett gekauft wurde! Ich kann nicht behaupten, dieselben Hausaufgaben wie er zu machen, aber wenn er zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt wie ich, finde ich das spannend.
Einmal vor ein paar Jahren kam bei meiner Recherche heraus, dass der japanische Großkonzern Itochu ganz interessant sein könnte. Ich entschied mich dann gegen einen Kauf, weil mir das Unternehmen am Ende vielleicht doch etwas zu statisch erschien. Es vergingen einige Monate, bis sich Warren Buffett bei mehreren großen Sogo Shosha, wie diese Großkonzerne dort heißen, bediente.
Und neulich, im November 2022, kam mir die Aktie von Taiwan Semiconductor interessant vor. Der Kurs war relativ stark gedrückt, weil es Spannungen mit China gab. Aber ansonsten sah alles spannend aus: Saubere Dividendenrendite von 3% bei gleichzeitig niedriger Ausschüttungsquote, extrem starke Marktposition (Taiwan stellt her, was Nvidia, Broadcom und co. verkaufen möchten), massive Margen von 50%. Gleichzeitig war das KGV bei lächerlichen 7, obwohl laut Yahoo Finance Wachstumsraten von 20% für die nächsten 5 Jahre vorhergesehen wurden. Also eigentlich wäre dann ein KGV von 20 angemessen.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nicht viel Geld zur Verfügung und war mir auch nicht sicher, ob ich nicht vielleicht doch lieber etwas anderes mit einer höheren Dividendenrendite kaufen würde. Dann kaufte Warren Buffett (und seine Fans) und für mich ist die Sache seitdem erledigt.

Man sieht also: Wenn man es in einer leichten Abwandlung des Pareto-Prinzips sieht, kann man mit relativ wenigen Grundregeln relativ solide Entscheidungen treffen, zumindest aus meiner Sicht.
Ich mache mir nichts vor: Die Entscheidung für oder gegen eine Aktie habe ich relativ schnell getroffen und lasse mich nur manchmal davon abbringen. Letztendlich lasse ich die Zahlen die Geschichte erzählen und mache mir ein paar grundsätzliche qualitative Gedanken zur Branche, das war's.
Ich bin einfach nicht der Typ dafür, der erst dutzende Quartalsberichte liest und sich tief in die Materie hineinarbeitet. Bewertung prüfen, Wachstum prüfen, gute Branche, geeignete Marktstimmung, keine großen Risiken, fertig.
Schief gehen kann es eh immer. Von daher halte ich es simpel, auch wenn ich mir bezüglich der oben genannten Punkte dann eben doch den Kopf zerbreche.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen